Die Stadt und die Kunst sind alte Gefährten. Seit Jahrtausenden leben sie Seite an Seite. In Pompeji, der altrömischen Stadt, die vor 2000 Jahren unter der Lava des Vesuvs begraben wurde, fand man bei Ausgrabungen später fast 11.000 Wandmalereien. Und auch die Stadt der Neuzeit kann sich dem Wirken der Künstler nicht entziehen. Ob nun Streetart, die seit den 60er Jahren besonders angesagt ist, oder auch offiziellere, durch Regierungen geförderte Projekte, es gibt kaum einen Ort im öffentlichen Leben, in dem die Kunst keine Rolle spielt.
Stadtplanung und Malerei haben vieles gemeinsam
Wie soll man erklären, warum die Kunst immer wieder die Nähe zur Stadt sucht … und umgekehrt? ine Antwort darauf findet sich vermutlich in der Art und Weise, wie beide entstehen. Denn genau genommen haben der Künstler und der Stadtplaner vieles gemeinsam, gerade weil ihr Schaffensprozess sich so sehr ähnelt, erklärt Yves Biwer, Verwaltungsdirektor von AGORA:
„Beide beginnen mit einer leeren Seite, auf der dann ihre Fantasie, ihre formelle und konzeptionelle Arbeit Form annimmt, immer auf der Suche nach der richtigen Technik, der richtigen Vision. Und auf der Grundlage dieser Arbeit entsteht nach und nach etwas Neues, das dann den Platz einnimmt, der zuvor leer war.“
Eine weitere Erklärung für diese ganz besondere Verbindung: Die Kunst stellt schon immer eine Möglichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner dar, sich ihre Stadt zu eigen zu machen. Zunächst einmal, weil sie Gelegenheit und Gründe bietet, den Ort mit allen Sinnen zu erleben.„In Belval konnten wir beispielsweise im Rahmen von kulturellen Veranstaltungen und Kunstprojekten einem großen Publikum die Möglichkeit geben, den Standort zu erkunden. Wir haben quasi mit der Neugier der Leute gespielt und sie die im Bau befindliche neue Stadt entdecken lassen,“berichtet Yves Biwer.
Ein zweiter Grund liegt darin, dass die Kunst einem Ort erst seinen Charakter verleiht. „Kunst ist ein ganz entscheidendes Erkennungsmerkmal“, erklärt Robert Kocian, Marketing- und Entwicklungsleiter von AGORA:
„Durch ihre Einzigartigkeit drückt die künstlerische Praxis einem Ort ihren Stempel auf, gibt ihm seine ganz eigene Identität.“
Auf diese Weise wissen die Bewohnerinnen und Bewohner, dass ihr Stadtviertel in ästhetischer Hinsicht wie kein anderes ist. „Das fördert das Zugehörigkeitsgefühl.“
Kulturelles Leben
Seit Beginn der Entwicklungsarbeiten an den ersten Industriebrachen hat AGORA diese glückliche Verbindung zwischen Kunst und Stadt immer im Auge behalten. Die Kultur prägt die Geschichte des Standorts Belval. Seit 2002 haucht AGORA dem ehemaligen Fabrikgelände durch die Musik neues Leben ein. Zum Steelworx Festival drängten sich hier mehr als 50.000 Besucher. Für das Publikum war es die erste Gelegenheit, diesen ehemaligen Tempel der Metallverarbeitung einmal mit eigenen Augen zu sehen.
Fünf Jahre später, 2007, wird Belval im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt zur Spielwiese für die Künstler. In der Gebläsehalle richtet sich daraufhin die bildende Kunst ein, ein Stück weiter lassen die Musiker (vor allem aus dem Elektronikbereich) die Rockhal beben.
Nach Ansicht von Yves Biwer kommt diese Dynamik allen zugute:
„Das ist jedes Mal auf zweifache Weise bereichernd. Der Standort mit seinen Besonderheiten inspiriert die Künstler; die wiederum prägen mit ihren Kreationen unsere eigene weitere Entwicklung. Das ist eine Form der Interaktion, die sehr diskret und subtil vonstatten geht.“
So kam es auch, dass AGORA 2020, als es darum ging, wie man das 20-jährige Firmenjubiläum feiern könnte, nicht lange nachdenken musste und einen Künstler damit betraute, den Anlass gebührend zu verewigen. Natürlich!
Das Veranstaltungsjahr 2022
Die Wahl fiel auf den Maler Eric Mangen. Der schaffenskräftige Luxemburger Künstler wurde damit beauftragt, die verschiedenen Pläne, die im Laufe der letzten 20 Jahre von den Ingenieuren und Architekten von AGORA erarbeitet wurden, zusammen auf eine Leinwand zu bringen. Das Werk entstand direkt an den symbolischen Orten von Belval und Esch-Schifflange. Der Künstler selbst war von diesem Abenteuer von Anfang an begeistert:
„Es ist für mich faszinierend, mich mit diesen Orten zu beschäftigen. Belval und die Industriebrache von Esch-Schifflange sind deshalb so inspirierend, weil sie sowohl von der Vergangenheit als auch von der Zukunft durchdrungen sind. Das, was hier war, die Industrie des 20. Jahrhunderts, ist verschwunden, dafür entsteht gerade etwas völlig Neues, ein Stadtprojekt des 21. Jahrhunderts!“
Kaum fertiggestellt, wurde die riesige, von Eric Mangen bemalte Leinwand, in viele kleine Einzelkunstwerke aufgeteilt und an die zahlreichen Beteiligten verschenkt, die im Laufe der letzten 20 Jahre die Wege von AGORA gekreuzt haben. „Für AGORA war das eine schöne Form der Anerkennung, eine hochsymbolische künstlerische Geste, die deutlich macht, dass dieses große Stadtprojekt vor allem ein Gemeinschaftswerk ist, zu dem jeder Einzelne seinen Teil beigetragen hat“, erklärt Robert Kocian.
Ein gemeinschaftliches kreatives und städteplanerisches Abenteuer, das noch lange nicht zu Ende ist, denn schließlich steht schon wieder Esch2022 vor der Tür, die Feier der Europäischen Kulturhauptstadt mit ihren zahlreichen künstlerischen und kulturellen Veranstaltungen. Der passende Mittelpunkt dafür ist bereits gefunden: Belval. Hier, am Fuße der Hochöfen wird der Dialog zwischen Künstlern und Stadtplanern im großen Stil fortgesetzt und noch so einige Überraschungen bereithalten.
Die Serie „Il était une fois“ erzählt die Unternehmensgeschichte von AGORA anhand von Ereignissen und Begegnungen mit Menschen, die diese Geschichte geprägt haben.
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