Die Gestaltung von Stadtgebieten mit niedrigerem Energieverbrauch hat für AGORA Priorität und die digitalen Zwillinge der Urbanviertel sind revolutionäre Werkzeuge, um dieses Ziel zu erreichen. Die virtuellen Doppelgänger erleichtern die Simulation von Energieverbrauchsszenarien und der Klimaentwicklung, „wodurch die städtebauliche Gestaltung und das Energiemanagement von Stadtvierteln optimiert werden können“, erklären Yves-Biwer, Direktor und Koordinator des Metzeschmelz-Projekts bei AGORA, und Jean-Philippe Lemaire, Gründer von IDES Engineering.
Erklären Sie uns noch einmal, was ein digitaler Zwilling ist und wie er sich zum Erreichen einer besseren Energieeffizienz einsetzen lässt?
Jean-Philippe Lemaire, Bauingenieur, Gründer von IDES Engineering: „Der digitale Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines Gebäudes oder eines Stadtviertels und besteht aus einem immersiven, sehr präzisen und umfassenden 3D-Modell, in das zahlreiche physische Daten des Gebäudes exakt integriert sind. Für einen Energieversorger wie mich ist das sehr nützlich, weil er einerseits die Geometrie und Materialität des Viertels dokumentiert – also z. B. die Volumetrie der Gebäude und Straßen – und andererseits die Energieflüsse, wie Stromnetze, Solarnetzwerke und Energieerzeugungsinfrastrukturen. Er ermöglicht die Simulation und Antizipation der Funktionsweise eines in Planung befindlichen Viertels, wie das Quartier Metzeschmelz, sowie die Optimierung des Energiekonzepts nach Analyse der Ergebnisse verschiedener Simulationen.“
Yves-Biwer, Direktor-Koordinator Metzeschmelz, AGORA: „Hinzu kommt, dass der digitale Zwilling auch das Energiemanagement in bereits bestehenden Stadtvierteln erleichtert. Oder anders ausgedrückt, dass wir ihn auch während der Betriebsphasen des Viertels weiter verwenden, wie zum Beispiel in Belval. Das Tool dient in diesem Fall dazu, den Verbrauch zu überwachen und zu analysieren, um anschließend das Energiemanagement auf Grundlage der tatsächlichen Daten anzupassen und zu verbessern. Diese sind jetzt alle in einem Modell in einer bisher nicht gekannten Weise auf einem einzigen Arbeitsgerät zusammengefasst.“
Können Sie ein konkretes Beispiel für eine Simulation in der Entwurfsphase nennen?
Jean-Philippe Lemaire: „Bei der Planung des Quartier Metzeschmelz werden zum Beispiel numerische Modelle und dynamische Simulationen verwendet, um das thermische Verhalten der Gebäude vor dem Bau zu charakterisieren. Man fragt sich vor allem, wie hoch der Bedarf an Wärme oder Kälte bei eintretender Klimaerwärmung sein könnte – unter Berücksichtigung der Volumetrie, aber auch der antizipierten Funktion und Belegung sowie der Ausrichtung zur Sonne während verschiedener Tageszeiten. Der digitale Zwilling ermöglicht es uns, diese verschiedenen Projektionen zu simulieren, wobei er die von uns bereitgestellten Daten als Grundlage nimmt, die alle diese Dimensionen abdecken.“
Und was wäre ein konkretes Beispiel für die Nutzung des digitalen Zwillings bei der Energieverwaltung eines Stadtviertels in der Betriebsphase?
Yves Biwer: „Nehmen wir das Beispiel Belval. Es gibt seit kurzem einen digitalen Zwilling des Viertels, der durch die Zusammenarbeit mit Forschern des LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology) ermöglicht wurde. Er fand bei der Planung des Viertels noch keine Verwendung und beginnt gerade erst, für uns im Einsatz zu sein – wir befinden uns gewissermaßen noch in einem embryonalen Stadium. Dennoch können wir bereits den aktuellen Energieverbrauch des Viertels beobachten und analysieren, um daraus Schlüsse zu ziehen. Eine weitere Nutzung entwickelt sich ebenso: Investoren und Entwickler, die neue Gebäude errichten möchten, führen Architektursimulationen durch, die das Belval-Wärmenetz und seinen Stromverbrauch berücksichtigen.“
Welche Technologien oder Methoden könnten die nächsten Entwicklungen des digitalen Zwillings darstellen?
Jean-Philippe Lemaire: „Ohne auf technische Details einzugehen, möchte ich zum Beispiel die Integration des Internets der Dinge (IoT) erwähnen, welches uns ermöglicht, Schwankungen im Energieverbrauch zu simulieren, indem man auf vernetzte Zähler oder Sensoren zurückgreift, die Umweltdaten sammeln. Künstliche Intelligenz ist ebenfalls ein vielversprechendes Werkzeug, das mit allen Komponenten des digitalen Zwillings interagieren kann. Es gibt eigentlich keine Grenzen für die Daten, die der digitale Zwilling enthalten kann, oder für die Kanäle, über die er mit Daten versorgt wird. Sein Potenzial ist fast schon schwindelerregend.“
Was waren die größten Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert waren?
Yves Biwer: „Die Herausforderungen sind für das Energiemanagement nicht spezifisch, aber wir möchten dennoch betonen, dass die Kompatibilität mit bestehenden Systemen ein wichtiges Thema darstellt. Bei AGORA war es manchmal schwierig, den Zwilling für unseren Arbeitsplätze verfügbar zu machen, da die IT-Betriebssysteme oft heterogen oder im Vergleich zu den Anforderungen des Zwillings veraltet waren. Da es sich um ein Kollaborationswerkzeug handelt, das wir mit verschiedenen externen Partnern nutzen, spielt die Kompatibilität bei unseren Mitarbeitern eine große Rolle. Auch der Umgang mit großen Datenmengen ist für eine Organisation wie die unsere eine Herausforderung. Aber wir passen uns an! Die Vorteile des Tools machen diese kleinen Hindernisse mehr als wett.“
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