„Aus dem öffentlichen Raum muss ein Ort für alle werden“

Wie können wir im öffentlichen Raum gut zusammenleben? Diese spannende Frage stellt für Abgeordnete, Stadtplaner oder auch Entwicklungsgesellschaften wie AGORA eine ganz konkrete Herausforderung dar. Und die zahlreichen denkbaren Antworten auf diese Frage entwickeln sich natürlich auch mit der Zeit, mit kulturellen Veränderungen und tiefgreifenden Einschnitten wie beispielsweise einer weltweiten Pandemie weiter. Der Stadtplaner Henri Bava, Gründer der Agentur TER und langjähriger Partner von AGORA, erläutert diese Herausforderung am Beispiel von Belval.

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Der Standort Belval ist für uns in dieser Hinsicht ein nie dagewesenes Experimentierlabor, in dem wir Schritt für Schritt einen Lebensraum schaffen, der auf alle Bewohnerinnen und Bewohner gleichermaßen ausgerichtet ist. Der Stadtplaner Henri Bava, Gründer der Agentur TER, mit der AGORA seit vielen Jahren in Belval zusammenarbeitet, gibt uns hier einen Einblick in dieses fantastische Abenteuer.

Welcher Werkzeuge bedient sich die Stadtplanung heutzutage, um öffentliche Räume zu schaffen, in denen es sich gut zusammenleben lässt?

Henri Bava: Da muss man komplexe Dynamiken in Einklang bringen, die das Stadtleben ausmachen: eine dichte Bevölkerung und möglichst reibungslos fließende Verkehrsströme, die Öffnung der Räume für verschiedenste Nutzungen unter gleichzeitiger Wahrung der Vielfalt an Möglichkeiten oder auch die Schaffung eines Stadtverkehrs, der sowohl Kontinuität als auch Diversität gewährleistet. All diese einzelnen Töne muss der Stadtplaner zu einer harmonischen Melodie zusammenfügen, damit aus dem öffentlichen Raum ein Ort für alle wird.

Wie manifestieren sich diese großen Prinzipien der Stadtplanung in Belval konkret?

Zunächst einmal sollte man darauf hinweisen, dass AGORA in Belval den öffentlichen Räumen fast genauso viel Fläche zugestanden hat wie dem überbauten Raum, was an sich schon sehr bemerkenswert ist.

Eine der wichtigen Manifestationen der oben beschriebenen Vision ist natürlich der Park Belval Süd. Dabei handelt es sich um einen öffentlichen Raum von immerhin 10 Hektar Fläche…!

Er erfüllt eine zweifache Funktion: als Erholungsraum, aber auch als Verbindung zwischen den verschiedenen Quartieren. Wir haben hier also eine riesige offene Fläche, die Belval Süd, das Lycée Belval, das Quartier der Square Mile und Belval Nord visuell und räumlich verbindet.

Sie sagten es schon: Bei öffentlichen Räumen geht es auch um vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Wie bringt man hier die Vielfalt der Interessen in Einklang, ohne die soziale Gemeinschaft zu gefährden?

Das ist in der Tat eine Herausforderung: den einzelnen Anforderungen der Nutzer in ihrer ganzen Vielfalt gerecht zu werden, ohne entsprechende Grenzen zwischen den jeweiligen Gruppen zu ziehen. Der Park Belval Süd macht das sehr deutlich. Hier bieten sich alle Möglichkeiten!

Man kann spielen, Sport treiben, sich entspannen, sich mit einem Buch ein ruhiges Plätzchen suchen, sich mit Freunden treffen oder einfach spazieren gehen: Die Nutzung variiert je nach Tageszeit und den verschiedenen Bedürfnissen. Gleichzeitig fördern die Gegebenheiten aber Gemeinsamkeit und Austausch. Man wollte verhindern, dass die Schüler, die Kinder auf dem Spielplatz, die Sportler usw. nur für sich sind. Die unterschiedlichen Bereiche sind also offen und durchlässig, damit Kontakte entstehen und der Park als Gemeinschaftsraum dienen kann.

Der Verkehr spielt aber auch eine wichtige Rolle im öffentlichen Raum. Wie sieht das in Belval aus?

Der von AGORA verwaltete Masterplan legt gerade auf diesen Aspekt besonderen Wert.

Die große Idee hier ist die der Kontinuität: Man wollte, dass die Quartiere in Verbindung und im Dialog bleiben, dass sich Natur und Architektur auf harmonische Weise vereinen.

Dafür wurden Spazierwege geschaffen, die sich wie Verbindungslinien durch den städtischen Raum ziehen. Die Wassertreppe ist das perfekte Beispiel dafür: Dieser lange bepflanzte Streifen für Fußgänger und Radfahrer beginnt in Belval Süd, passiert Belval Nord und den Park, dann die Square Mile und endet schließlich am Plateau St. Esprit.

Bei diesem Beispiel spielt das Wasser eine wichtige Rolle…

Absolut. Das Wasser steht bei der Wassertreppe natürlich im Mittelpunkt. Es ist hier nicht nur Symbol für die Zirkulation, es gibt auch den Weg vor: Eingebettet in die Landschaft ergibt sich ein Wegweiser durch die verschiedenen Quartiere.

Hatte die Pandemie Auswirkungen darauf, was die Menschen vom öffentlichen Raum heute erwarten?

Ja, durchaus. Wir Stadtplaner sehen sehr deutlich, dass sich die Bedürfnisse mit der Gesundheitskrise verändert haben. Vor allem die Lockdowns haben die Menschen sehr geprägt. Sie erwarten heute mehr Platz und freie Flächen in der Stadt, um etwas mehr für sich sein und zu enge Begegnungen vermeiden zu können.

Ein sehr konkretes Beispiel ist die Breite der Wege. Wir werden jetzt häufig gebeten, die Wege breiter zu machen, unter anderem um etwas besser Abstand zu den Mitmenschen einhalten zu können. Ein anderes Beispiel: Die Nachfrage nach Radwegen explodiert gerade. Das Fahrrad war in der Krise unter allen Verkehrsmitteln der große Gewinner.

Henri Bava

In Belval stellt das kein Problem dar: Der Standort hat alles, was es braucht, um die öffentlichen Räume an die postpandemischen Erwartungen anzupassen. Was die Qualität des gesellschaftlichen Lebens angeht, sind das gute Voraussetzungen für die Zukunft.

Interview mit Mitarbeitern von AGORA, Partnern und Experten: Erfahren Sie in der Serie „Défis Urbains“ mehr über die Werte, die AGORA vertritt und verteidigt.

Alle Artikel der Serie finden Sie über den folgenden Tag.

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