In einer Welt, in der die Immobilienpreise immer neue Höhen erreichen und der Wunsch nach solidarischen Gemeinschaften immer stärker wird, können Nachbarschaften verschiedene Wohnformen umfassen, etwa partizipatives Wohnen, kleine minimalistische Häuser, generationenübergreifendes Wohnen oder flexible Architekturen. Dr. Florian Hertweck, Wohnungsbauexperte an der Universität Luxemburg, erklärt, dass hinter diesen beliebten Typologien auch wirtschaftliche Überlegungen in Bezug auf Grund und Boden stehen.
Florian Hertweck ist Architekt, Forscher und Professor. Er ist Experte für Wohnraum und interessiert sich besonders für die Beziehung zwischen dem Öffentlichen, dem Gemeinschaftlichen und dem Individuellen. Als Architekt entwirft er alle Arten von Wohnungen, wobei er sowohl aus Gründen des Umweltschutzes als auch der Erschwinglichkeit der Wohnungen auf sparsamen Ressourceneinsatz achtet. Er ist der Autor des Essays Architecture of the Common Ground. Positions and Models on the Question of Land, in dem er auf die Bodenfrage eingeht, die er als „entscheidend für die Behandlung der Wohnungsfrage“ ansieht.
Gibt es in Luxemburg bewährte Verfahren für die Erneuerung von Wohnformen und die Erkennung von Trends?
Dr. Florian Hertweck : „Es herrscht ein großer Bedarf an Wohnraum, und dies in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Meiner Meinung nach entspricht das, was derzeit gebaut wird, nicht ausreichend den Bedürfnissen der luxemburgischen Gesellschaft in Anbetracht der großen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Ungleichheit. Partizipatives Wohnen, minimalistische Häuser oder generationenübergreifendes Wohnen gibt es schon lange, aber es handelt sich um Experimente, die in Luxemburg noch kaum stattfinden.“
Welche Bedingungen begünstigen Experimente in Bezug auf die Wohnungstypologie?
F.H.: „Die Bodenfrage steht im Mittelpunkt der Debatte. Ein Vorschlag zur Anregung der Wohnungsvielfalt wäre, die Vergabe von mehr öffentlichen Grundstücke in Erbpacht an Selbstbaugemeinschaften oder Genossenschaften in Erwägung zu ziehen. Dadurch sollen nicht nur die zukünftigen Bewohner in den Entstehungsprozess des Projekts einbezogen werden, sondern auch soziale Vielfalt gewährleistet werden. Was die Bauträger betrifft, die für den Wohnungsbau von entscheidender Bedeutung sind, so wäre eine Option, ihnen Anreize zu geben, mehr als 30 % subventionierte oder genossenschaftliche Wohnungen zu garantieren. Darüber hinaus könnte auch eine Lockerung der Vorschriften die architektonische Experimentierfreude anregen. Die Reform des Rechts in Bezug auf Experimente, wie es von Architekten seit langem gefordert wird, und eine Überarbeitung der Vorschriften könnten den Sektor dynamischer machen. Schließlich könnte es für öffentliche Instanzen, einschließlich öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften, sinnvoll sein, einen Teil des Wohnungsbaus als verlorene Investition zu betrachten, die auf eine nachhaltige Zukunft gerichtet ist und gleichzeitig wirtschaftliche Bedürfnisse ausbalanciert.“
Sind partizipative Wohnungen Ihrer Meinung nach ein Trend, den man im Auge behalten sollte, und eine empfehlenswerte Praxis für unsere Stadtteile?
F.H.: „Partizipative Wohnformen haben zwar in Ländern wie der Schweiz, Deutschland oder Österreich eine lange Geschichte, sind aber in Luxemburg mit bislang nur einer einzigen selbstverwalteten Baugemeinschaft noch relativ neu. Diese Wohnungen bieten Gruppen von Menschen die Möglichkeit, kostengünstig in einer Gemeinschaft zu leben und je nach Größe der Gruppe ihren Raum selbst zu gestalten. Die in Europa häufigste Form ist die Genossenschaft, dicht gefolgt von den „selbstverwalteten Wohnprojekten“, besser bekannt unter den deutschen Begriffen „Baugruppen“ oder „Baugemeinschaften“. Bei diesem Ansatz ist die Gemeinschaft sowohl der Hauptentscheidungsträger als auch der zukünftige Nutzer. Jedes Mitglied trägt zur Gestaltung seines privaten Bereichs bei und beteiligt sich gleichzeitig am Austausch von Ideen für die Gemeinschaftsräume. Diese können unterschiedlich sein und von einer Gemeinschaftsküche bis hin zu einem Garten oder sogar einem Swimmingpool reichen. Während selbstverwaltete Baugemeinschaften oft für Angehörige der Mittelschicht geeignet sind, weisen Genossenschaften eine soziale Vielfalt auf, weil sie nicht gewinnorientiert sind. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind Menschen, die zur Zusammenarbeit bereit sind, und kompetente Moderatoren, die für eine harmonische kollektive Entscheidungsfindung sorgen, von entscheidender Bedeutung.“
Ihrer Meinung nach funktionieren diese gemeinschaftlichen Wohnformen am besten, wenn sie das Modell der Genossenschaft übernehmen …
F.H.: „Die Genossenschaft könnte, über ihre Relevanz für gemeinschaftliches Wohnen hinaus, eine wichtige Lösung für die Wohnungsfrage sein. Damit das Leben in einer Genossenschaft erfolgreich sein kann, ist der Zugang zu günstigen Grundstückspreisen, die vom Staat oder der Gemeinde in Form eines Erbpachtvertrags angeboten werden, eine unabdingbare Voraussetzung. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Gemeinschaften, die diesen Lebensstil anstreben, häufig nicht über ein großes Anfangskapital verfügen. Luxemburg, das dieses Modell lange Zeit vernachlässigt hatte, scheint sich heute unter dem Einfluss neuer Generationen sowohl von Luxemburgern als auch von Ausländern, für diese Idee zu öffnen. Dies öffnet die Tür für weitere Experimente im Wohnungsbau, und ich bin optimistisch, was die Zukunft dieses Modells in Luxemburg betrifft.”
Könnten Mikrowohnungen oder das Tiny House einige der Wohnungsprobleme im Großherzogtum lindern?
F.H. : „Das Tiny House bietet eine interessante Perspektive: Obwohl es an ein ländliches Einfamilienhauses denken lässt, eignet es sich auch für die städtische Verdichtung, ohne unbedingt auf dem traditionellen Schema hoher und kompakter Gebäude zu beruhen. Innovative Projekte wie das von Christian Bauer in Steinsel greifen diese Idee auf, indem sie die Räume zwischen den kleinen Häusern verringern und sie auf nur vier Meter Abstand zusammenrücken lassen. Ich bin jedoch weiterhin davon überzeugt, dass das Mikrowohnen nicht die Hauptlösung für unsere städtischen Probleme sein kann. Vielmehr ist es eine Option unter vielen, die beispielsweise der jüngeren Generation den Zugang zu einer individuellen Wohnform ermöglicht, ohne dabei gleich auf große Häuser setzen zu müssen – ein Ansatz, den wir im 21. Jahrhundert neu überdenken sollten.“
Was ist mit Mehrgenerationenhäusern?
F.H.: „Auch wenn das Konzept, drei Generationen einer Familie unter einem Dach unterzubringen, von der aktuellen Dynamik unserer schnelllebigen Gesellschaft weit entfernt zu sein scheint, ist die Idee brillant, wenn sie Menschen aus verschiedenen Generationen, etwa Senioren und Studenten, zusammenleben lässt. In einem solchen Rahmen profitiert nicht nur jeder Beteiligte von einem bereichernden Zusammenleben, sondern es entstehen auch echte Synergien, die den Bedürfnissen und Wünschen jedes Einzelnen gerecht werden.“
Wie sieht es mit flexibler Architektur aus? Ist sie in Zeiten der Wohnungskrise ein Lösungsansatz?
F.H.: „Flexible Architektur ist kein neues Konzept, aber sie gewinnt unter den heutigen Umständen an Bedeutung. Sie setzt auf standardisierte, vorgefertigte und wiederverwendbare Elemente und bietet gleichzeitig verschiedene Wohntypologien an, die sich je nach Bedarf verändern können. Um diese Flexibilität erfolgreich umzusetzen, sind großzügige Räume entscheidend: hohe Decken, weit auseinander liegende Strukturen und eine geschickte Gestaltung von Schächten und Wegen, um unkomplizierte Änderungen zu ermöglichen. Wenn das gut umgesetzt wird, ist es bemerkenswert erfolgreich. Für einen aufstrebenden Stadtteil wie Metzeschmelz bietet diese Flexibilität beispielsweise die Möglichkeit, Anpassungen vorzunehmen, wenn die Bedürfnisse präziser deutlich werden. Wichtig ist, dass Städte und ihre Architektur niemals statisch sind. Sie sind ständig in Bewegung und Entwicklung begriffen. So könnte es in einem Ort wie Metzeschmelz sinnvoll sein, offen für verschiedene Entwicklungsansätze zu sein und nicht alles von vornherein festzulegen.“