Studenten, Familien, Senioren, einheimische und ausländische Arbeitnehmer… in Belval leben sie alle zusammen. All das vor einem globalen Kontext der steigender Wohnunraumkosten und eines starken demografischen Drucks in Luxemburg.
Ist das Immobilienproblem also unlösbar? Jean-Xavier Foidart, verantwortlich für Entwicklung und Vermarktung bei AGORA, erklärt uns, dass dies nicht der Fall ist und inwiefern ein innovatives Wohnraumangebot die Lösung darstellen kann.
Wie sieht der Immobilienmarkt derzeit aus?
„Die Immobilienpreise steigen im Durchschnitt um 8 bis 10 % pro Jahr“, erläutert Jean-Xavier Foidart. 2019 verzeichnete der luxemburgische Markt sogar eine Steigerung um 11,4 %! Diese Situation ist auf den demografischen Boom im Großherzogtum zurückzuführen. Zwischen 1981 und 2018 erlebte Luxemburg eine Bevölkerungszunahme um 65 % und verzeichnete damit das höchste Bevölkerungswachstum in Europa. Diese zusätzlichen Einwohner müssen natürlich irgendwo wohnen, was die Preise in die Höhe treibt und verfügbares Wohneigentum verknappt.
Welche Auswirkungen hat das auf das Wohnungsangebot?
„Die Preise steigen unaufhörlich, aber das Budget der Menschen wächst nicht in gleichem Maße mit. Neue Wohnungen werden daher unweigerlich immer kleiner, und die Menschen kaufen mehr Eigentumswohnungen als zuvor. Einfamilienhäuser werden teurer und sind daher nicht mehr der Standard“, erklärt Foidart. Wir erleben also gerade eine städtische Verdichtung. „Das Quartier Belval, 20 km von Luxemburg-Stadt entfernt, steht im Zentrum dieser Problematik und möchte eine Lösung dafür anbieten“, versichert er.
Welche innovativen Lösungen bieten Sie in Belval an?
Vor allem soziale Innovationen innerhalb der Wohngebäude:
Residenzen mit individuellen Apartments werden immer öfter mit entsprechenden Gemeinschaftsleistungen angeboten“, so Jean-Xavier Foidart. „Wir haben Angebote für Gemeinschaftsgärten auf den Dächern, Grill-Equipement für alle, allen zur Verfügung stehende Werkzeugräume, E-Bikes oder Elektroautos für die Residenz, Fitness-Räume oder auch Spas erhalten“, führt der Entwicklungsleiter weiter aus. Indem all diese Dinge vergemeinschaftet werden, wird Platz gespart für den eigentlichen Wohnraum und der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern gefördert. Diese verschiedenen Services sind mittlerweile ein ganz klares Kaufkriterium für zukünftige Bewohner.
Co-Living als Alternative
Hierbei handelt es sich um einen neuen Trend, der in vielen Ländern gerade Furore macht. „Das reicht von einfachen möblierten Studios mit gemeinsamem Aufenthaltsraum bis hin zu hotelähnlichen Premium-Angeboten. Ein Zimmer mit besonders exklusiven Service-Leistungen kann da schon mal 1.000 € pro Monat kosten. Das ist ein Preis, der auf halbem Weg zwischen Hotel und Studio liegt, und auch die Service-Leistungen sind entsprechend“, fügt er hinzu. Dieses Konzept zielt besonders auf junge Arbeitnehmer ab und ist auf ihre Bedürfnisse und ihren Lifestyle ausgerichtet.
Wohnungen für Berufsnomaden
Von allen 2019 neu eingestellten Arbeitnehmern in Luxemburg waren 42 % Grenzgänger, 19 % ansässige Staatsbürger und 38 % Einwohner mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Die meisten Grenzgänger fahren jeden Abend nach Hause, aber manche von ihnen wohnen auch über Tage bzw. die gesamte Arbeitswoche über in Luxemburg. Die ausländischen Einwohner bleiben in der Regel mehrere Monate für die Dauer ihres Arbeitsvertrags, bevor sie eventuell wieder zu neuen Ufern aufbrechen. „Diese Berufsnomaden haben neue Bedürfnisse, denen wir gerecht werden wollen“, betont Jean-Xavier Foidart. „Im Quartier Square Mile haben wir beispielsweise traditionelle Hotels vorgesehen, aber auch Long-Stay-Hotels mit Kitchenette für Arbeitnehmer, die länger bleiben.“
Das Work-Loft
Aufgrund steigender Immobilienpreise wird es für „Home-Worker“ immer schwieriger, eine Privatwohnung und zusätzlich ein Büro zu mieten. Selbstständige und Freiberufler brauchen aber unter Umständen Räumlichkeiten, in denen sie ihre Kunden empfangen können. „Wir haben unsere Erdgeschosse mit einer Deckenhöhe von 6 Metern genutzt, um dort Home Offices einzurichten. Die untere Etage dieser Wohnungen wird so zum professionellen Arbeitsbereich, während sich auf einem geräumigen Zwischengeschoss darüber der private Bereich befindet“, erklärt Foidart. Diese 2-in-1-Formel bietet einen gewissen Lebenskomfort und ermöglicht gleichzeitig Einsparungen.
Die Juniorenresidenz
Seit Ansiedlung der Universität des Großherzogtums ist Belval ein Studentenviertel. Hier studieren und arbeiten rund 4.500 Studenten und Assistenten. Viele davon verfügen nur über ein begrenztes Wohnbudget. Die „Juniorenresidenzen“ sind für Studenten gedacht und bieten möblierte Zimmer zu günstigeren Preisen als in anderen Gebäuden“, erklärt Jean-Xavier Foidart. Es gibt in diesen Residenzen aber auch größere Wohnungen, z. B. für Universitätsassistenten, die unter Umständen bereits mit einem Partner zusammenleben.
Ein städtischer Raum für alle
Die grundlegende Zielsetzung von Belval war und ist ees, verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Wohnraumtypologien zur Verfügung zu stellen. Da AGORA das Bedürfnis nach Grünflächen bewusst ist, hat das Unternehmen ein neues Konzept entwickelt, das auf den schönen Namen „Public Green“ hört: Die Gebäude des Quartiers Belval Nord sind in eine größere Grünfläche eingebettet. Die Wohngebäude sind natürlich privat, aber die Grünflächen, die sie umgeben, sind öffentlich und werden von allen geteilt. „Ich habe immer auf dem Land gelebt. Wenn ich in Belval wohnen würde, würde ich nach Belval Nord gehen“, gesteht Jean-Xavier Foidart.
Senioren, Bewohner mit besonderen Bedürfnissen
„Für ältere Menschen bieten wir Erdgeschosswohnungen sowie ein Altersheim mit 130 Plätzen an“, führt der Entwickler von AGORA weiter aus. „Für Personen mit Pflegebedarf gibt es ein Pflegeheim mit entsprechenden Studios für Angehörige in der Nähe.“ Auf diese Weise kann der Lebenspartner eines Bewohners des Pflegeheims gleich nebenan wohnen, ohne direkt mit ins Heim ziehen zu müssen.
Die Familienquartiere
Nicht nur Arbeitnehmer, Studenten und Senioren finden ihren Platz in Belval. AGORA hat auch an die Familien gedacht. „In Belval Süd wird es ein Wohnviertel mit einem diversifizierten Wohnraumangebot für Familien mit einem Kind bis hin zur Großfamilie geben“, erklärt Jean-Xavier Foidart. Dort soll die Wohndichte reduzierter sein. Das Viertel soll aus kleinen Straßen, Einfamilienhäusern, Grünbereichen, kleinen Geschäften und Dienstleistern bestehen. Es wird auch Schulen und eine gute Verkehrsanbindung geben.
Angesichts der rasanten demografischen Entwicklung und des enormen Preisanstiegs im Immobilienbereich setzen städtische Projekte wie Belval auf innovative Lösungen für das Wohnungsproblem.
Und auch für das nächste große Projekt, den Standort Esch-Schifflange beschäftigt sich AGORA auch schon mit den Fragen der Zukunft. „Für den Standort Esch-Schifflange denken wir über ein völlig autofreies Quartier nach“, lässt Jean-Xavier Foidart wissen. „Wenn sich dieses Konzept wunschgemäß entwickelt, müssen wir natürlich auch beim Rest innovativ werden, das heißt auch beim Wohnraum!“ Eine neue Herausforderung für die Spezialisten, die schon heute über die Stadt von morgen nachdenken.
Stadtgärten, Smart Cities, Öko-Viertel oder Zwischennutzungkonzept für den urbanen Raum, die “Tell me more!”-Serie erforscht neue Trends und erteilt Experten das Wort. ´
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