Der Pavillon wird ein öffentlicher Ort, ein Ort der Begegnung, an dem man für einen Moment verweilen und nachdenken kann. Mit seinen runden Linien und üppigen Formen erinnert er an die Rolle des Wassers in der Geschichte von Belval und an die Zeit, in der die Quelle Bel-Val sowohl das wirtschaftliche Herz als auch ein Synonym für kollektives Wohlbefinden war.
Neben der schönen Gelegenheit, für einen Moment der Erholung zusammenkommen zu können, wird sich den Menschen hier auch die Möglichkeit bieten, ein Werk aus der Feder einer einzigartigen Künstlerin zu entdecken, das mit Unterstützung von AGORA entstanden ist und eine Mischung aus bildender Kunst, virtueller Realität, Videospiel und Architektur darstellet. Mit diesem Projekt hat Laura Mannelli eine ihrer ambitioniertesten Arbeiten entwickelt. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.
Sie haben Architektur studiert, kombinieren in Ihrer künstlerischen Praxis aber Architektur und digitale Ansätze. Könnten Sie uns dazu etwas mehr erzählen?
Laura Mannelli: Ich habe mich schon sehr früh von der traditionellen Praxis der Architektur entfernt und mich für das immersive Schaffen interessiert, für die radikale Architektur der 60er Jahre und für die Orte, an denen Architektur und sogenannte „Freiräume“ zusammentreffen. Für mich beschränkt sich Architektur nicht nur auf Räume, die durch Mauern geschaffen werden: Es gibt unendlich viele weitere Möglichkeiten, Architektur zu erschaffen, auf immaterielle Weise und mit Hilfe von Konzepten, die über den Begriff des Raumes hinausgehen. Da hat sich natürlich schon sehr früh die Digitaltechnik angeboten. Schon 2007 habe ich im Metaversum Second Life, einer der bekanntesten virtuellen Welten, ein immersives Werk kreiert Nach und nach wollte ich aber auch Projekte entwickeln, die virtuelle Realitäten und Gebäude verbinden. Wie schafft man es, ein architektonisches Werk von der realen in die virtuelle Welt zu bringen? Das ist eine Frage, mit der ich mich in meiner Praxis schon lange beschäftige. Das Projekt des Pavillons Source Bel-Val bot mir die Möglichkeit, diese Frage auf sehr unerwartete Weise zu beantworten und zum ersten Mal im Rahmen eines Architekturprojekts über immersive Räume nachzudenken.
Stellen für eine digitale Installation dieser Art die Abmessungen des Pavillons eine besondere Herausforderung dar?
Sicher. Aber gerade das hat mich ja so begeistert. Für eine Künstlerin wie mich ergibt sich nicht häufig die Gelegenheit, an einer Installation von 1000 Quadratmetern zu arbeiten. Das ist einfach genial! Dieses Projekt vereint die technischen Herausforderungen einer digitalen Installation mit der Komplexität eines Bauprojekts, mit einer Unmenge von digitalen Kabeln, die unter dem Pavillon hindurchgeführt werden und mit der architektonischen Struktur selbst verwoben sind. Ich habe sofort das Potenzial gesehen, den Pavillon in eine Art Spieluhr zu verwandeln, eine magische Insel, die quasi aus sich selbst heraus entsteht. In diesem Werk erzählt die Mineralquelle ihre eigene Geschichte, und der Pavillon ist ihre Stimme. Die Besucherinnen und Besucher können die visuellen und klanglichen Erzählungen auf unterschiedliche Arten aktivieren, indem sie den angegebenen Anweisungen in ihrem ganz eigenen Tempo folgen. So begeben sie sich nach und nach in eine Märchenwelt, die sowohl die reale Geschichte der Quelle von Bel-Val erzählen und aktuelle Umweltfragen ansprechen, gleichzeitig aber auch eine magische Umgebung schaffen soll, die die Fantasie anregt.
Was fasziniert Sie an der Geschichte von Bel-Val?
Meine Familie hat hier ganz in der Nähe gewohnt, und doch war mir die Existenz dieser Quelle völlig unbekannt, bevor ich mich mit diesem Projekt beschäftigt habe.
Ich war total überrascht und kam mir ziemlich unwissend vor. Dieses Gefühl wich aber sehr schnell einer großen Neugier auf die Geschichte der Quelle und dem Wunsch, sie anderen Menschen zu erzählen. Dieses Quellwasser hat etwas Magisches. Die Menschen des letzten Jahrhunderts sahen es wirklich als Heilmittel gegen zahlreiche Krankheiten an. Dann wurde die Quelle in ihrer Bedeutung von der Stahlindustrie verdrängt – meine Recherchen in den Archiven haben mir aber deutlich gemacht, dass auch in dieser industriellen Epoche die Bedeutung der Quelle von Bel-Val nie völlig vergessen wurde. Ich versuche, die Dinge nicht nur von zwei Seiten aus zu betrachten, sondern die Geschichte dieses Wassers, das nie aufgehört hat, diesen Ort zu durchströmen, und das auch heute noch unter unseren Füßen seine Bahnen zieht, in einer Art Kreislauf zu erzählen. Ich gebe dem Wasser quasi eine Stimme: Es erzählt seine Geschichte selbst. So gesehen ist es nie der Vergessenheit anheimgefallen, es verfolgt seinen Weg seit Jahrhunderten und wird dies auch weiterhin tun. Dazu kommt, dass die Metallstruktur des Pavillons an die Stahlindustrie der Vergangenheit erinnert und so mit der Geschichte der Quelle in Dialog tritt.
Es ist also die Stimme des Wassers, die hier das Zentrum Ihrer klanglichen Arbeit bildet. Können Sie uns erklären, wie das konkret aussieht?
Ich lasse mich gern von den Theorien von Vinciane Despret inspirieren, die anhand des Gesangs der Vögel erklärt, dass der Klang eine echte materielle und physische Dichte hat. Weitere Inspirationsquellen sind Donna Haraway und Salomé Voegelin. Beim Projekt des Pavillons Bel-Val betrachte ich die Quelle als einen lebenden und denkenden Organismus. Ich installiere daher über die gesamte Fläche des Pavillons ein unsichtbares Klanggewebe, das durch die Bewegung derjenigen aktiviert wird, die dem Parcours folgen. Der ganze Pavillon ist gespickt mit Klangquellen unter dem Boden und in den Wänden. Sie ahmen den Verlauf des Wassers nach, den Prozess der Abfüllung des Quellwassers oder auch die Stimmen der Frauen bei der Arbeit. Die Stimme der Quelle ist dabei die der Schauspielerin Catherine Elsen.
Inwiefern spielen auch ökologische Fragen eine Rolle, die aufgrund der Klimakrise immer wichtiger werden?
Das Projekt hat auf ganz natürliche Weise eine ökofeministische Richtung eingeschlagen – meine Recherchen in den Archiven haben nämlich gezeigt, dass in der Wasseraufbereitungsanlage hauptsächlich Frauen gearbeitet haben. Das wird auf gewisse Weise auch klanglich wiedergegeben, der Verlauf des Wassers und der Jahreszeiten. Ich wollte eine Verbindung zwischen den Menschen und der Natur herstellen, die sie so lange vernachlässigt haben. In gewisser Weise haben sie so auch den Bezug zu ihrer Vergangenheit verloren. Zu dieser klanglichen Komponente gesellt sich das Visuelle in Form von Augmented Reality, die das Ganze durch faszinierende Figuren ergänzt, vor allem durch eine gewisse Dame in Weiß… Ich wollte hier die Vergangenheit in Lebensgröße wieder aufleben und die Menschen zu Wort kommen lassen, die sich der Bedeutung dieser natürlichen Ressource noch bewusst waren und die uns indirekt daran erinnern, wie wichtig es ist, dass wir der Natur wieder die Aufmerksamkeit schenken, die sie braucht.
Mit Unterstützung von AGORA bringt dieses Projekt im Rahmen von Esch 2022 die Mineralquelle von Bel-Val wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Es wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die Mithilfe des Kollektivs BeBunch, ohne Frederick Thompson, der für das immersive AR-Design verantwortlich ist, ohne den Komponisten Damiano Picci, die Schauspielerin Catherine Elsen, die der Quelle ihre Stimme leiht, und ohne die Umsetzung der immersiven Klangtechnik durch Mad Trix.