Am Rande der Großstädte entstehen immer mehr neue Quartiere, die als ganzheitliche Lebensräume entworfen werden. New Ways of Working: Neue Vorstellungen von einem lebenswerten Arbeitsplatz und die zunehmende Bedeutung ökologischer Fragen haben dazu geführt, dass viele Menschen ihr „Zuhause“ heute ganz anders definieren als noch vor einigen Jahren. Handelt es sich dabei nur um einen flüchtigen Trend oder sehen wir hier eine völlig neue Art von Lebensentwurf?
In den letzten Jahren haben neue Begriffe wie Co-Living und Co-Working im Immobiliensektor Einzug gehalten. Co-Living steht dabei für ein gesellschaftliches Zusammenleben über den Hausflur hinaus, wobei gleichzeitig die private Wohnung als Rückzugsort erhalten bleibt. Co-Working bezeichnet die gemeinschaftliche Nutzung von Arbeitsräumen, die den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden eines Unternehmens, aber auch mit Angehörigen anderer Unternehmen ermöglicht. Bei beiden Konzepten handelt es sich um neue Arten des privaten und beruflichen Miteinanders, die, neben anderen Bedürfnissen, bei der Entwicklung neuer Quartiere eine Rolle spielen. Barbara Brecko von Gingko Solutions und Aurélien Dobbels et Nicolas Legay, Gründern von Cocoonut, erklären uns, warum diese neuen Formeln funktionieren, und warum es so wichtig ist, dieser Entwicklung in der Stadtplanung Rechnung zu tragen.

Heute schon mehr als ein Trend

Die Entscheidung, ihren Arbeitsplatz mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen, fiel für Barbara Brecko von Gingko Solutions schon vor mehr als fünf Jahren. Heute bietet sie auch anderen neue Arbeitsplatzlösungen an. „Diese Welle nahm schon vor einiger Zeit ihren Anfang, in den USA wie in Europa. Bisher nannte man dieses Konzept Business Center.“ Die Geschäftsführerin von Gingko Solutions spricht dabei von offenen Arbeitsräumen, in denen Austausch und eine völlig andere Art der Zusammenarbeit als im klassischen Einzelbüro möglich sind.

Aurélien Dobbels, Mitgründer von Cocoonut, ein Luxemburger Akteur im Bereich Co-Living, befasst sich ebenfalls mit dem Konzept der Raumnutzung, jedoch eher im Sinne der verschwimmenden Grenze zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. „Bei Co-Living-Lösungen geht es im Allgemeinen darum, Quartiere in unmittelbarer Nähe von Wirtschafts- oder Finanzzentren zu schaffen.“ Diese Art der Co-Existenz von Leben und Arbeit funktioniert allerdings nur dann, wenn die entsprechenden Räume die praktischen Gegebenheiten aufweisen und flexibel genug gestaltet sind.

Das Motto lautet Flexibilität

„Die meisten Menschen, die zu uns kommen oder uns kontaktieren, stammen aus dem Ausland“, erklärt Nicolas Legay. „Es ist das Stereotyp dessen, was man sich als Kunde vorgestellt hat: Personen, die für die Big Four arbeiten, in Anwaltskanzleien, in Banken, im Bereich Big Tech.“ Nach Ansicht des Mitgründers von Cocoonut ist diese Co-Living-Klientel vor allem auf der Suche nach praktischen Lösungen. „Mit praktisch meine ich möblierte und relativ günstige Apartments.“ Wichtig dabei sind insbesondere Kautionszahlungen in Höhe von nicht mehr als einer Monatsmiete sowie Mietverträge, die den Mieter nicht langfristig binden. Flexible und durchdacht gestaltete Räume, die den heutigen Gegebenheiten Rechnung und „vor allem dem Umweltaspekt sowie der Reduktion von Wasser-, Strom- und Gasverbrauch“ Rechnung tragen.

Für den Bereich Co-Working unterstreicht Barbara Brecko auch die Bedeutung der Flächenreduktion. „Die Büroflächen sind mittlerweile in den meisten Unternehmen zu groß geworden, vor allem angesichts des zunehmenden Anteils an Telearbeit.“ Die Geschäftsführerin von Gingko Solutions führt ebenfalls die neue Art und Weise an, Arbeit und Freizeit zu verbinden. „Es wird versucht, Neuankömmlinge im Unternehmen im Rahmen von Events mit den vorhandenen Mitarbeitenden in Kontakt zu bringen, um auf diese Weise berufliche wie private Synergien zu schaffen.“ Diesem Zweck dient auch die Einrichtung eigener Fitnessstudios und Restaurants.

„Diese Art von Strukturen kam zuerst in den nördlicheren Ländern auf. Als ich vor ungefähr 15 Jahren in Amsterdam war, gab es dort bereits Arbeitsplätze mit angeschlossener Kinderbetreuung, eigenem Restaurant, Co-Working-Bereichen, gelegen am Rand des Ballungszentrums, ganz ähnlich wie in Belval.“

„Quartiere der Zukunft“
Wenn Barbara Brecko das Beispiel Belval anführt, legt sie besonderen Wert auf den Aspekt der Mobilität: „Belval war in gewisser Weise ein Vorreiterprojekt. Damals galt es, diese Chance zu ergreifen, die sich vielleicht so bald nicht wieder bieten würde, und heute sind viele unserer Kunden hier, weil sie die Nähe zur Grenze schätzen.“ Sie nennt insbesondere das Beispiel eines Kunden, der in Belval einen Standort für seine Mitarbeitenden eingerichtet, dabei aber seine Büros in Luxemburg behalten hat. Auch beim Co-Living geht es laut Aurélien Dobbels um Nähe, in diesem Fall allerdings eher die Nähe zum Stadtzentrum. „Wenn diese Quartiere nicht in unmittelbarer Nähe zu den Wirtschaftszentren liegen, versucht man zumindest, sie in der Nähe von Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs anzusiedeln, um eine sanfte Mobilität zu entwickeln. Wir sprechen in dieser Hinsicht gern von den Quartieren der Zukunft.“
Diese Quartiere der Zukunft zeichnen sich nicht nur durch ihre moderne Architektur aus, sondern vor allem auch durch die Berücksichtigung neu aufkommender Lebensentwürfe. Umweltfragen spielen mittlerweile auch bei der Gestaltung von Arbeitsplatz und Lebensraum für viele Menschen eine wichtige Rolle. Damit einher geht ein wachsendes Angebot optimierter Räume in entsprechenden Ökosystemen außerhalb des Stadtzentrums, die über die nötigen Möglichkeiten für Transport und sanfte Mobilität verfügen, um eine direkte Anbindung an die urbanen Bereiche zu garantieren.

Stadtgärten, Smart Cities, Öko-Viertel oder Zwischennutzungkonzept für den urbanen Raum, die „Tell me more!“-Serie erforscht neue Trends und erteilt Experten das Wort.
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