Infolge der Wiederbelebung der Standorte Belval und Alzette zeichnet sich die Entwicklung eines neuen französisch-luxemburgischen Ballungsraums ab. Auf französisch-luxemburgischem Grenzgebiet entsteht derzeit eine IBA unter der Ägide des Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit EVTZ Alzette Belval. Langfristig könnte die IBA zu zahlreichen neuen Projekten führen und zur landschaftlichen Vereinigung zwischen dem südlichen Teil des Großherzogtums und der französischen Region Grand Est beitragen.
Diese Geschichte beginnt Anfang der 1990er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch keinen EVTZ, der sich mit dem Schicksal der Gemeinden Sassenheim, Monnerich, Schifflingen, Esch-sur-Alzette, Redingen, Russange, Thil, Villerupt, Audun-le-Tiche, Boulange, Ottange und Aumetz beschäftigt. Zwischen einigen dieser grenznahen Städte beginnt sich jedoch eine Kollaboration zu entwickeln. Der Wunsch nach Zusammenarbeit veranlasst die jeweiligen Bürgermeister zu intensiveren Gesprächen über verschiedene gemeinsame Projekte. Überlegungen hinsichtlich der Zukunft der Industriebrache Belval treiben den Dialog voran: Luxemburg und Frankreich wollen ihre Stadtentwicklung in dieser Region gemeinsam angehen.
Um eine fruchtbare grenzüberschreitende Kollaboration zu ermöglichen, wird 2013 ein Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) gegründet. Einige Jahre später verkündet Minister Claude Turmes seinen Wunsch, hier „ein Territorium mit eigener Identität zu schaffen, auf dem die Grenze keine Rolle mehr spielt“. Der Verbund, der an verschiedenen Fronten aktiv ist, ist heute unter anderem zuständig für die Vorbereitung einer grenzüberschreitenden IBA.
IBA?
Die deutsche Abkürzung für „Internationale Bauausstellung“ steht heute eigentlich eher für ein Projekt, das unterschiedliche Akteure einer Region zusammenbringt, um gemeinsam ein städteplanerisches und architektonisches Konzept zu entwickeln. Und genau das ist es, was die Region braucht. Der französische Staat und die Gemeinden der Region Grand Est wollen mehr Innovation in ihre Stadtplanung bringen und die im Rahmen des Programms „Écocités“ ins Leben gerufenen Projekte voranbringen. Luxemburg strebt im Süden des Landes die Entwicklung des Quartiers Belval und seiner neuen Universität an – einer der Hauptgründe für diese Initiative.
„Eine IBA ist in der Regel über einen Zeitraum von zehn Jahren aktiv“, erklärt Dorothée Habay-Lê, Direktorin des EVTZ Alzette-Belval. Die Idee dahinter ist, den üblichen Planungsrahmen zu verlassen und Architektur und Stadtplanung als Lösungen für die dringlichen Fragen der Region und ihrer Einwohner neu zu betrachten. „Es geht darum, ein Fundament zu schaffen, auf dem Projekte entstehen können, die anschließend langfristig begleitet werden. Ziel ist es, trotz der Grenze eine kohärente Entwicklung auf einem gemeinsamen Territorium zu ermöglichen. Auf diese Weise können sich alle beteiligten Parteien in die Entwicklungsstrategie einbringen, mit gemeinsamen Rahmenbedingungen, Entscheidungskriterien und Orientierungspunkten.“
Die Herausforderungen unserer Zeit meistern
Im Zentrum des Projekts IBA steht die Mission, erschwinglicheren Wohnraum und innovative Wohnformen zu schaffen, gleichzeitig geht es aber auch um den gemeinschaftlichen Erhalt der vorhandenen Naturreserven, insbesondere aller Täler der Alzette und ihrer Zuflüsse.
„Allgemein betrachtet, ist die Zielsetzung der IBA, Antworten auf die Fragen zu liefern, die sich durch die diversen Veränderungen unserer Zeit ergeben, z. B. in den Bereichen Energie, Ökologie und Mobilität…“, fügt Dorothée Habay-Lê hinzu. Um den enormen Herausforderungen begegnen zu können, die insbesondere der Klimawandel mit sich bringt, will man Raumplanung hier ganz neu denken. Dabei soll es auch darum gehen, den Dogger-Formationen auf beiden Seiten der Grenze mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser landschaftliche Schatz vereint ökologische Flächen, Landwirtschaft und Freizeitoptionen auf einem gemeinsamen Territorium.“
Eine Geschichte der grenzübergreifenden Abstimmung
Die neu entstehende IBA Alzette-Belval, die ein Beispiel für gelebte Demokratie darstellt, kann sich auf eine lange Tradition des Dialogs zwischen französischen und luxemburgischen Akteuren der Region und auf Moderations- und Abstimmungsmechanismen stützen, die bereits seit 2013 bestehen.
Die Abstimmung zwischen kommunalen Verwaltungen mit unterschiedlichen Interessen und juristischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ist nicht ganz einfach, doch der EVTZ hat dafür effektive Werkzeuge entwickelt. „Wir versuchen, schon in den frühen Gesprächsphasen möglichst viele Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Parteien herauszuarbeiten“, betont Dorothée Habay-Lê. „Damit steht und fällt alles. Wenn man von Anfang an ganz klar definiert, an welchen Stellen eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit erforderlich ist, läuft die Abstimmung anschließend sehr reibungslos. Für die Vorbereitung kann sich die Partnerschaft außerdem auf den Ansatz des Beratungsbüros „Atelier des territoires“ verlassen, das lokale Abgeordnete und Akteure zu einem offenen Austausch rund um die Frage zusammenbringt: Raumentwicklung Alzette-Belval: Was ist vorstellbar?“
Der nächste Schritt ist eine erfolgreiche Einbindung der Bewohner. „Das ist ein ganz wichtiger Punkt“, betont die Direktorin des EVTZ. „In dieser Phase der Vorbereitung müssen wir alle Möglichkeiten bedenken. Werden die Bewohner selbst das Projekt unterstützen? Ab welchem Zeitpunkt sollten sie mit eingebunden werden? Wie kann diese Einbindung grenzüberschreitend für das gesamte Territorium erfolgen? Wie kann das entsprechende Engagement über mehrere Jahre erhalten werden? Sicher ist, dass neben Gesprächen mit Politik und Wissenschaft auch der Dialog mit den Bürgern sowie mit allen lokalen Akteuren, insbesondere AGORA, erforderlich ist.“
All das dürfte den Weg für mehr Innovation freimachen. Die grenzüberschreitende IBA Alzette-Belval wird dank ihrer heterogenen Zusammensetzung und eines offenen Dialogs neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Förderung avantgardistischer Formen der Architektur und der Stadtplanung eröffnen. Sie bietet die Möglichkeit, den althergebrachten Rahmen zu sprengen. Sich neuen, außergewöhnlichen Vorschlägen zu öffnen. Und die Städte der Zukunft zu entwerfen.
Die Serie „Il était une fois“ erzählt die Unternehmensgeschichte von AGORA anhand von Ereignissen und Begegnungen mit Menschen, die diese Geschichte geprägt haben.
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