Wasser und seine Bedeutung für die Stadtentwicklung in Belval

Um den Bau eines neuen Stadtviertels auf einem ehemaligen Industriegelände in Belval möglich zu machen, war unter anderem eine umfassende Reorganisation des Wassermanagements erforderlich, das insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung ganz neu gedacht werden musste.

7 Min Read
Vanessa Villeneuve

Ein Exkurs mit Ingenieurin Vanessa Villeneuve und den Architekten Frank Wallenborn und Beate Heigel.

Um den Bau eines neuen Stadtviertels auf einem ehemaligen Industriegelände in Belval möglich zu machen, war unter anderem eine umfassende Reorganisation des Wassermanagements erforderlich, welches vor allem im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung ganz neu konzipiert werden musste. Von der Integration der bestehenden Kanalisation in ein neues Stadtkonzept über die Entwicklung eines innovativen Auffangsystems für Regenwasser bis hin zum Abwassermanagement, hatten wir es hier mit einer grandiosen Aufgabe zu tun… und einer sehr reizvollen Herausforderung für das Team von AGORA. Ein Exkurs mit Ingenieurin Vanessa Villeneuve und den Architekten Frank Wallenborn und Beate Heigel.

Was waren zu Beginn des großen Abenteuers von Belval die größten Herausforderungen in Sachen Wassermanagement?

Vanessa Villeneuve: „Am Anfang gab es diesen verlassenen Industriestandort mit seiner gespenstischen Atmosphäre. Es gab bereits ein Kanalisationssystem, auf das wir dann ein Stadtkonzept setzen mussten, alles unter Berücksichtigung des bestehenden Leitungsnetzes. Außerdem gab es ein Wassernetz und den Wënschelbach, der zur industriellen Nutzung kanalisiert worden war. Der Bach wurde umgeleitet, in Teilen wieder geöffnet und renaturiert: Das war eine der großen Herausforderungen von Belval, diesem Bach seine ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben. Allgemein kann man sagen, dass wir auf der Grundlage der bestehenden komplexen Wassersituation eine neue Stadt entwickeln und dabei sicherstellen mussten, dass alles im Einklang mit der natürlichen Umgebung und Umweltfragen abläuft. Und schließlich musste ja auch die Geschichte des Standorts ein Echo finden: die natürlichen Wasserläufe und die Nutzung des Wassers im ehemaligen industriellen Kontext.“

Frank Wallenborn: „Das Auffangsystem für Regenwasser in Belval entspricht einer gesetzlichen Vorgabe in Luxemburg, an die man sich in Belval schon vor der Veröffentlichung des entsprechenden Gesetzes halten wollte. Die ersten Überlegungen zu diesem Thema stammen bereits aus dem Jahr 2002.

Die zukünftige und aktuell bestehende Gesetzgebung verlangt Auffangkapazitäten in jedem Teilbebauungsplan.

Die Umsetzung dieser Vorgabe für jeden der 15 Teilbebauungspläne für Belval erschien uns weder technisch machbar, noch zufriedenstellend im Hinblick auf die landschaftliche Integration.

Es wurde daher zu diesem Zeitpunkt beschlossen, ein Wassermanagementkonzept für Belval auszuarbeiten, das die Vorschriften im Hinblick auf das Auffangen von Regenwasser, aber auch den Wunsch berücksichtigte, die erforderlichen Auffangkapazitäten in ein kohärentes Landschaftskonzept zu integrieren, das mehrere Teilbebauungspläne abdeckt. Die Lösung bestand darin, die Auffangflächen an strategischen Orten zu zentralisieren (Waassertrap) und durch bereits bestehende Elemente wie die ARBED-Becken zu ergänzen. Auf diese Weise gelang es uns, den Wasserdurchsatz im Bach zu regulieren, sodass im weiteren Verlauf keine Überlastung entsteht.

Ausgehend von diesem globalen Konzept haben wir versucht, die Entwicklung ganzheitlich anzugehen: Wir wollten nicht nur Auffangkapazitäten schaffen, sondern diese auch auf ästhetische Weise in die Landschaft integrieren. Das Konzept selbst ist jetzt 20 Jahre alt und war zum damaligen Zeitpunkt absolut avantgardistisch. Auch heute noch gilt es im Großherzogtum als wegweisend in diesem Bereich.“

Inwiefern ist die Waassertrap, oder Wassertreppe, ein einzigartiges und avantgardistisches Konzept?

F.W.: „Sie ist wirklich eine der großen Besonderheiten von Belval! Mit ihren 24 Stufen ist sie dafür ausgelegt, bis zu 6.300 m³ Regenwasser aufzunehmen. Jede Stufe trägt zur Verlangsamung des Wasserstroms bei, sodass große Niederschlagsmengen auf kontrollierte Weise abfließen. Auf diese Weise wird an einer zentralen Stelle das Regenwasser von Belval Nord, Belval Süd, eines Teils der Square Mile und des Parks Um Belval aufgefangen. Von all diesen Bereichen aus gelangt ein großer Teil des Regenwassers mit Hilfe von über- und unterirdischen Kanälen zur Waassertrap. So werden Wassermanagement und ein einzigartiges und sehr originelles Landschaftskonzept verbunden. Wenn es nicht regnet, sind die Stufen begehbar und fügen sich auf ganz natürliche Weise in die Landschaft ein. Sie sind außerdem Teil der Kompensationsmaßnahmen des Biotopplans: Die besondere Vegetation schafft einen Lebensraum mit großer Artenvielfalt.“

Vanessa Villeneuve

V.V.: „Für die Stufen, die als Wehre agieren, haben wir Holz verwendet. Schließlich musste das Ganze ja auch ökologisch sinnvoll sein. Außerdem musste sehr präzise gearbeitet werden, um eine maximale Menge an Wasser nutzbar zu machen und möglichst nichts zu verschwenden. Das ist ein wirklich interessantes Projekt und zu 100 % ökologisch und nachhaltig.“

Beate Heigel

Die Waassertrap ist auch als ästhetisches Projekt gedacht, das Park und Stadtquartier optisch aufwerten soll?

Beate Heigel: „Absolut. Dabei haben wir beispielsweise auch berücksichtigt, dass die Sammlung von Regenwasser im Park nicht permanent erforderlich ist – unser Konzept lässt es daher zu, diese Bereiche in der restlichen Zeit auf andere Weise zu nutzen, und fügt sich harmonisch in die Landschaft und die Grünflächen ein. Rückhaltebecken, wie man sie häufig neben Autobahnen oder Supermärkten sieht, sind als rein funktionale Strukturen angelegt. Da sie einen guten Teil des Jahres gar nicht gebraucht werden, wirken sie dann wie schwarze Löcher aus Beton mit einer wenig attraktiven Umzäunung. In Belval gibt es so etwas nicht. In unmittelbarer Nähe der Waassertrap ist auch der Park Belval Süd mit einem ergänzenden offenen Ablaufsystem für Regenwasser ausgestattet.

Welche Herausforderungen stellten sich im Hinblick auf das Wassermanagement

V.V: „Das Abwasser am Standort floss früher über den Wënschelbach ab und wurde dann in den ARBED-Becken aufbereitet. Wir wollten Abwasser und Regenwasser von Anfang an trennen und zwei unabhängige Systeme schaffen. Das Abwasser sollte über das neue System direkt in die Kläranlage von Esch-Schifflange geführt und dort aufbereitet werden. Damals wurde die Kläranlage Schifflange gerade modernisiert und erweitert, um, unter anderem, das gesamte Abwasser von Belval, je nach zukünftiger Nutzung, aufnehmen zu können.“

Das Wasser war daher in Belval das zentrale Element, in dem Ingenieurskunst, Landschaftsgestaltung, ökologische sowie Freizeitaspekte zusammenfanden. Ein ganz eigener Beitrag zu einem außergewöhnlichen Stadtentwicklungsprojekt.

Interviews von Agora-Mitarbeitern, -Partnern und -Experten, mit der Serie “Défis urbains” entdecken Sie die von AGORA initiierten und gelebten Werte.

Entdecken Sie alle Artikel dieser Serie via Klick auf das unten stehende Tag.

Share This Article