AGORA – Das Quartier Alzette: Neues auf Altem aufbauen oder die Methode StadtFabrik
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Das Quartier Alzette: Neues auf Altem aufbauen oder die Methode StadtFabrik

Die Architekten, die für das Design des zukünftigen Quartier Alzette verantwortlich zeichnen, betrachten das Viertel als eine „Stadt in permanenter Umgestaltung“, ganz im Sinne der „Stadtfabrik“. Dabei wird die ehemalige industrielle Ausrichtung der Region weitergesponnen und in einen neuen Kontext gebracht. So entsteht quasi eine „Produktionsstätte für Lebensqualität“.

Das zukünftige Quartier Alzette entsteht aus der Vision der dänischen Architekturbüros Cobe und Urban Agency heraus, die von AGORA im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs für diese Aufgabe ausgewählt wurden. Ihre Idee besteht darin, auf dem gesamten Gelände den Dialog zwischen der industriellen Geschichte des Ortes und seiner neuen Bestimmung herauszuarbeiten. Leitbild soll dabei das Konzept der „Stadtfabrik“ oder auch der „Stadt in permanenter Umgestaltung“ sein. Ein Stadtfabrik-Viertel ist dabei ein Viertel, das aus sich selbst heraus immer wieder neu entsteht, quasi „Work in Progress“, wie uns Architekt und Projektleiter Ole Storjohann vom Kopenhagener Architekturbüro Cobe erklärt.

Wie kann man das Konzept der Stadtfabrik erklären und woher kommt es?

Ole Storjohann: „Unsere Vision ist es, das bestehende Potential des Ortes zu nutzen um neue lebenswerte Stadtviertel zu schaffen. Unser Gründer und Creative Director Dan Stubbergård schlug vor dieses Konzept „Stadtfabrik“ zu nennen und so an die industrielle Vergangenheit des Quartier Alzette anzuknüpfen. . Es soll quasi eine Produktionsstätte für Lebensqualität entstehen. Unsere Idee ist in gewisser Weise die Weiterentwicklung vom Produktionswerk hin zu einer „StadtFabrik“.

Vielleicht sollte ich das näher ausführen: Es wird viel Neues geben, viele neue Arten der Nutzung, viele Umwidmungen, im Grunde eine Radikalveränderung des Standorts. Gleichzeitig wollten wir aber die Erinnerung lebendig halten. Wir wollen, dass alle, die hierher kommen, sofort spüren, dass sie sich auf einem ehemaligen Fabrikgelände befinden. Der Ausdruck StadtFabrik ist noch relativ neu, aber das Konzept dahinter ist Tausende von Jahren alt. Für unsere Vorfahren war das etwas völlig Normales, im alten Rom zum Beispiel, wo es völlig gang und gäbe war, Materialien wiederzuverwenden und neue Bauwerke auf alte Fundamente zu setzen. Heutzutage wird diese Praxis schon aus ökologischen Gründen wieder aufgenommen: Wiederverwertung ist immer die nachhaltigste Option, um etwas Neues zu schaffen.“

Welche Elemente der Vergangenheit sind es genau, die genutzt werden, um das neue Viertel nach dem Konzept der StadtFabrik zu konstruieren?

O.S.: „Der Bau eines neuen Stadtviertels ist kein einfacher Vorher-/Nachher-Prozess. Der Weg besteht aus vielen einzelnen Etappen, und die Entwicklung endet im Grunde nie. Bestimmte vorhandene Elemente können auf diese Weise lange Zeit erhalten bleiben, und andere begleiten uns nur einen Teil des Weges. Die Infrastrukturen können beispielsweise Teil dieses Prozesses sein, genau wie ehemalige Verkehrswege oder die charakteristischen Elemente der Industrielandschaft. Ob wir Elemente behalten oder verwerfen, hängt davon ab, welche Geschichten sie erzählen und welche Identität sie dem neuen Quartier Alzette geben. Es soll eine lebendige Stadt werden, kein Museum. Wir wollen alten Strukturen neues Leben einhauchen und ihnen neue Aufgaben geben. Um das zu ermöglichen, muss man aber bestimmte Veränderungen zulassen.“

Können Sie uns da konkrete Beispiele für das Quartier Alzette nennen?

Die beeindruckendsten Elemente des ehemaligen Stahlwerks sind die riesigen Walzhallen im Norden des Standorts. Sie bergen eine unglaubliche Vielseitigkeit: Sie dienten beispielsweise bereits als Drehort. Wenn wir mit der Entwicklung des Standorts beginnen, können diese Hallen über die lange Phase der Bauarbeiten zahlreiche unterschiedliche Funktionen übernehmen. Wir haben zum Beispiel schon darüber nachgedacht, sie während der Räumungsphase und Bauphase für verschiedene Zwecke einzusetzen.Auch könnten dort Kulturveranstaltungen stattfinden, durchaus auch schon in einem frühen Stadium, wenn der Standort eigentlich noch Baustelle ist. Es ist entscheidend, die Einwohner frühzeitig in das zukünftige Quartier Alzette einzuladen, um dem Projekt Aufmerksamkeit zu verschaffen und dem Quartier zu seiner neuen Identität zu verhelfen. Esch wird im nächsten Jahr Kulturhauptstadt Europas. Das wäre eine schöne Gelegenheit!

Zu den weiteren Elementen, die wir als Sprungbrett oder Fundament für das neue Quartier nutzen werden, gehört beispielsweise auch eine 400 m lange Stützmauer. Es kommen aber auch kleinere Elemente zum Einsatz wie der Wasserturm, der Kühlturm und ein ehemaliges Umspannwerk.

Gibt es in Europa weitere Beispiele für das Konzept StadtFabrik?

O.S.: „Es gibt ein weiteres Projekt in Kopenhagen, an dem wir arbeiten. Dieser Standort hat eine ähnliche Geschichte wie das Quartier Alzette. Dort verwandeln wir einen ehemaligen Industriehafen, den „Nordhavn“ , in ein neues, dynamisches Stadtviertel für Menschen, die Lebensqualität suchen, gleichzeitig aber auch von den Vorteilen einer urbanen Lage profitieren wollen. Mit der Entwicklung zum Homeoffice wird in Zukunft bei der Wohnortswahl die Lebensqualität zu einem wichtigeren Faktor als die Lage des Arbeitsplatzes.Kopenhagen ist voll von städtischen Projekten dieser Art, wir nennen das „extraordinary everyday“. Auch am „Nordhavn“ haben wir zahlreiche bestehende Elemente übernommen. Eine wichtige Lektion, die wir aus diesem Projekt gelernt haben, ist dass es wichtiger ist, alten Gebäuden neues Leben zu schenken, als sie einfach unverändert zu erhalten.

Warum eignet sich das Quartier Alzette besonders gut für das Konzept StadtFabrik, wenn man einmal von seiner industriellen Vergangenheit absieht?

O.S.: „Luxemburg ist ein kleines Land, verzeichnet aber das stärkste demografische Wachstum in ganz Europa. Es ist unsere Pflicht, hier für eine wachsende Bevölkerung Wohnraum zu schaffen, ohne die begrenzten Naturräume noch weiter in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist der Bau eines neuen, dicht besiedelten Quartiers auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerks die bestmögliche Lösung. Der Sektor Alzette ist derzeit ein Niemandsland, umgeben von der Stadt Esch im Westen, Schifflingen im Osten und Naturreserven im Norden und Süden. Indem wir das Quartier Alzette neu gestalten und aus seiner Isolation befreien, schaffen wir eine Möglichkeit, Wohngebiete und Naturräume auf harmonische Weise zu verbinden und weiterzuentwickeln. Auch darum geht es bei der Stadtfabrik: den natürlichen Faden wieder aufzunehmen, der unterschiedliche Räume miteinander verbindet.

Es geht aber auch darum, heute schon die Grundlagen für zukünftige Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Was sehen Sie da für das Quartier Alzette in Ihrer Kristallkugel?

O.S.: „Wir versuchen immer, uns anhand der Elemente, die die Gegenwart ausmachen, die Zukunft vorzustellen. Dieses Quartier wird sicher immer eine ganz eigene Persönlichkeit haben, und diesen Aspekt gilt es zu pflegen und zu kultivieren. Der Charakter des Quartier Alzette beruht auf seiner Vergangenheit, nicht nur der industriellen, sondern auch der seiner natürlichen Lebensräume. Diesen Aspekt stärken wir, indem wir die Alzette renaturieren und sie in einen ähnlichen Zustand zurückversetzen wie vor der Industrialisierung des Standorts. Wir verstehen das Quartier Alzette auch als Ort, in dem nachhaltige Innovation stattfinden muss. Das liegt schließlich in seiner DNA: So setzen wir die Tradition von Innovation, Handwerk und Produktion fort, aber mit einer neuen, nachhaltigen Perspektive. Anstelle der Stahlproduktion könnte es dann in Zukunft auf den Dächern Gemüseanbau oder die Produktion von Solarstrom geben. Wenn man auf diese Weise eine nachhaltige Stadt erschafft, bietet man den Menschen nicht nur Wohnraum, Schulen usw., man schafft auch lokales Know-how und Arbeitsplätze.

Stadtgärten, Smart Cities, Öko-Viertel oder Zwischennutzungkonzept für den urbanen Raum, die "Tell me more!"-Serie erforscht neue Trends und erteilt Experten das Wort. ´

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